Digitales Lernen ist mehr als „daddeln“
Von Julia Bernigau
Die Digitalisierung gehört in Mainzer Schulen längst zum Alltag: Aber die Schulleiter bewerten die Möglichkeiten unterschiedlich.
MAINZ - Tablet-Klassen und moderne technische Ausstattungen gehören zum Teil schon in den Schulalltag. Doch sowohl bei Eltern als auch Lehrern gehen die Meinungen über den Einsatz von digitalen Technologien auseinander. Die AZ hat sich bei Mainzer Schulen umgehört, wie sie das Thema Digitalisierung in den Unterricht integrieren und welche Herausforderungen der Digitalpakt des Bundes mit sich bringt.
„Man darf sich nicht zuerst die Technik anschaffen und dann darüber nachdenken, zu was sie nütze ist“, sagt der Schulleiter des Frauenlob-Gymnasiums Stefan Moos. Die didaktische Auseinandersetzung müsse immer an erster Stelle stehen. Der Arbeitskreis Digitale Souveränität am Frauenlob-Gymnasium hat zum Ziel, die entscheidenden Kompetenzen für den Umgang mit neuen Medien zu entwickeln. „Daddeln kann jeder, doch wir wollen den Schülern sinnvolle Werkzeuge, beispielsweise bei der Recherche von Themen, an die Hand geben“, sagt Moos.
Etwas anders läuft es beim Theresianum: Dort gibt es eine Ideenwerkstatt, in der Schüler mit digitalen Hilfsmitteln Lösungen für den Schulalltag erstellen können. Die Schüler entwickeln dabei Prototypen wie beispielsweise Organisations-Apps.
Bundesrat und Bundestag haben sich bezüglich der Gesetzesänderung bereits geeinigt. Ein Bundesrat-Votum wird für Mitte März erwartet. Die Länder könnten noch dieses Jahr mit ersten Fördermitteln rechnen.
Eine Tablet-Klasse ist für Moos dagegen pädagogisch nicht interessant, vielmehr sieht er darin den Druck, den Einsatz neuer Technik zu erzwingen. Auf der anderen Seite müsse es die Gelegenheit geben, dass Lehrkräfte mit ihren Schülerinnen und Schülern die Möglichkeiten der Digitalität, die über die Kreidetafel hinaus gehen, erkunden. Insgesamt drei Tablet-Koffer gibt es dazu im Frauenlob-Gymnasium, der PC-Raum ist zusätzlich mit Tablets ausgestattet.
Thomas Schlenger, stellvertretender Schulleiter des Schlossgymnasiums, sieht in einer Tablet-Klasse ebenfalls keinen ausreichenden Mehrwert. „Für mich rechtfertigt der Aufwand und die finanzielle Investition nicht den Nutzen im Lernen“, sagt Schlenger, „Man muss aufpassen, dass aus solchen Projekten kein Konjunktur-Programm für die Industrie wird.“
Er erläutert im AZ-Gespräch, dass die Schulen im Rahmen des Digitalpaktes der Bundesregierung ein Konzept vorlegen müssen, in dem sie darlegen, welche technischen Anschaffungen sie für den Unterricht benötigen. Im Fall des Schlossgymnasiums besteht der Wunsch nach mehr Laptops, zurzeit hat die Schule zehn Geräte im Einsatz.
Das Theresianum sieht in dem Einsatz von Tablets die Chance, Stärken und Schwächen der Schüler in Zukunft besser differenzieren zu können. „Wir sehen zwar Tablets durchaus als Unterrichtsmittel, möchten uns aber nicht an einen Hersteller binden und werden die Geräte nicht durch die Schule stellen“, sagt Schulleiter Stefan Caspari. Das Theresianum verfügt über Tablets, Lehrer und Schüler sollen in Zukunft aber auch ihre eigenen Geräte mitbringen können. Mit Kompetenztests könnten die Schüler eingestuft werden und würden einen individuellen Unterrichtsplan erhalten. „Die digitale Erweiterung bietet schnelle Analysen und Auswertungen“, sagt Caspari, „Damit könnten wir jedem Schüler gerecht werden.“
Die flächendeckende Aufrüstung der Säle mit Beamern schließt das Schlossgymnasium in diesem Jahr ab. „Insgesamt hat das zehn Jahre gedauert“, sagt Schlenger, „die Finanzierung erfolgte mit Geldern aus dem Haushalt der Stadt, dem Förderverein und aus Wettbewerben. „Pro Beamer sind insgesamt 2500 Euro Kosten entstanden, bei 50 Sälen sprechen wir über eine erhebliche Summe“, sagt Schlenger.
Das Frauenlob hat mittlerweile 95 Prozent der Schulsäle mit Smartboards ausgestattet, die Vielzahl von digitalen Anschaffungen wurde bisher mithilfe des Fördervereins getätigt.
Die Schulleiter sind sich einig, dass mit der steigenden Anzahl an digitalen Geräten auch die Instandhaltung aufwendiger wird. „Ersatzteile wie Stecker oder Batterien, aber auch die Installierung neuer Programme dürfte bei über 200 digitalen Endgeräten nicht außer Acht gelassen werden“, sagt Moos. Bei fast 1000 Schülern müsse eine Abnutzung der Geräte einkalkuliert werden. „Die Schule benötigt dann theoretisch eine IT-Abteilung, die technische Hilfe leistet.“ Bei diesem Aspekt sei eine Förderung auch nach den fünf Jahren mit Digitalpakt entscheidend. „Die Landesregierung hat hierfür noch kein schlüssiges Konzept vorgelegt, das gebe ich zu bedenken“, sagt Schlenger.
Die nächste Herausforderung beim Thema Digitalisierung: die Infrastruktur. „Wir sind froh, dass die Stadt zusammen mit den Stadtwerken eine Breitbandverbindung ausbauen wird“, sagt der stellvertretende Schulleiter. Seiner Meinung nach wird ein Großteil der Investitionen aus dem Digitalpakt für die Infrastruktur aufgebraucht werden. Die modernsten Endgeräte seien nutzlos, wenn die Voraussetzungen wie eine schnelle Internetverbindung nicht gewährleistet sind.