Helen Pörtner in Norwegen

Von Helen Pörtner

Allgemeine Zeitung vom 29.12.2017

MAINZ/FLEKKE - In ihrem zweiten Jahr besucht die Mainzerin Helen Pörtner das United World College (UWC) in Norwegen, malerisch gelegen am Flekkefjord. 200 Schüler aus mehr als 95 Ländern lernen dort gemeinsam. 2016 wurde Pörtner, die zu dieser Zeit das Frauenlob-Gymnasium besuchte, für ihr soziales Engagement vom Internationalen Frauen-Club Zonta mit dem „Young Women in Public Affairs-Award“ ausgezeichnet. Für die AZ berichtet die 19-Jährige über das UWC, wo sie im Mai 2018 ihren Abschluss machen wird.

Es ist Mittwochabend und wir sitzen zusammen zu einer Diskussion über das Verständnis von Sexualität in den verschiedenen Religionen dieser Welt. Gerade ist „Gender and Sexuality Week“ und diese Gesprächsrunde ist ein Teil davon. Unter meinen Mitschülern sind Menschen vieler Glaubensrichtungen und es ist extrem spannend, über Unterschiede zwischen dem Christentum in Malawi, dem Buddhismus in Bhutan und der Kultur in Skandinavien zu hören.

 

Veranstaltungen wie diese gehören zum Alltag an einem United World College (UWC), einem von insgesamt 17 internationalen Internaten, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, Frieden durch Bildung zu erreichen. Um nicht nur Vielfalt in Herkunft, sondern auch in sozioökonomischer Hinsicht zu schaffen, wird der Großteil der Schulgelder und der Unterhaltskosten über Vollstipendien finanziert.

UWC gibt es auf der ganzen Welt: von Kanada über Swasiland bis nach Japan. Ich bin gerade in meinem zweiten Jahr am UWC Red Cross Nordic an der norwegischen Westküste, an dem ich bald mein International Baccalaureate (IB) erhalten werde. Dieser internationale Abschluss ermöglicht einem den Weg zu Top-Universitäten überall auf der Welt – und dennoch ist UWC alles andere als eine Elitenveranstaltung und viel mehr als „normale“ Schule.

 

In Norwegen sind wir 200 Schüler zwischen 16 und 19 Jahren und kommen aus 95 verschiedenen Ländern. Schul- und Alltagssprache ist Englisch. Von dieser Vielfalt profitiert der Unterricht, zum Beispiel, wenn mir meine Mitschüler aus eigener Erfahrung berichten können, wie Erdogans Politik in der Türkei sie beeinflusst oder meine Freundin aus Venezuela die Geschichte des Sozialismus in Südamerika erklärt.

UWC macht es möglich, die Menschen hinter Konflikten zu sehen. So unterhalte ich mich beispielsweise mit meiner israelischen und mit meiner palästinensischen Freundin über den Konflikt und begreife, wie er ihr tägliches Leben beeinflusst. Beim Christmas Dinner dann machen wir drei ein Foto, ohne an unsere Herkunft zu denken.

Das UWC in Norwegen hat wie jedes College einen besonderen Schwerpunkt. Hier sind es Outdoor-Erfahrungen und humanitäre Themen. Immer wieder finden daher besondere Tage statt, so zu Erster Hilfe oder Bildung in Krisengebieten und während der „Ski Week“ im ersten Jahr können alle Teil der norwegischen Langlauftradition werden.

Die Abgeschiedenheit in ländlicher Lage am Fjord bewirkt eine wunderbare Gemeinschaft. Wir wohnen in fünf Häusern zu jeweils fünft in einem Zimmer. Zu Anfang hatte ich Sorge, dass ich meine Privatsphäre vermissen würde, wenn ich auf so engem Raum mit vier anderen Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammenlebe. Dies ist jedoch überhaupt nicht der Fall. Es ist unbeschreibliche Erfahrung, mit Gleichaltrigen aus Finnland, Myanmar, China und Nigeria zu leben.

Was diese Schulen wirklich besonders macht, sind die Menschen dort. Man spürt eine große Motivation, Dinge selbst auf die Beine zu stellen. UWC hat mein Bewusstsein geschärft – für mich selbst, meine Umgebung, andere Menschen und Ereignisse auf der ganzen Welt. Ich bin unendlich dankbar für all die Freundschaften und Verbindungen, die ich knüpfen konnte und im riesigen UWC-Netzwerk mit über 60 000 Alumni überall auf dieser Welt noch knüpfen werde.

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