Unsere Partnerschaft mit dem Lycée de Rusatira
Die Partnerschaft besteht seit knapp 13 Jahren. Die erste Kontaktaufnahme in einem freiwilligen Wahlangebot in der Mittelstufe wirkt wie aus einer anderen Zeit: Schülerinnen und Schüler beider Schulen schrieben Steckbriefe, die jeweils per Post zu den jeweiligen Partnern kamen. Die Spannung und Freude waren groß, zumal ein Brief etwa vier bis sechs Wochen unterwegs war. Die ersten Fotos vom ruandischen Schulhof wirkten im wahrsten Sinne sehr weit weg. Ob unsere Bildergeschichten, mit denen wir den ruandischen Partnern Mainz vorstellen wollten, überhaupt von ruandischen Schülern gesehen wurden, war uns nicht klar.
Heute sieht der Austausch ganz anders aus: Die digitale Kommunikation hat unsere Partnerschaft radikal verändert. Ausgehend von einem Mailkontakt zwischen dem Direktor, Jean Damascéne Ndagijimana, und uns gelang es, Bilder und Absprachen viel schneller zu treffen, mittlerweile läuft der Austausch über Chatprogramme der sozialen Medien oder Videocalls zwischen Klassen in Rusatira und Mainz.
Dies erleichterte dann auch, den Kontakt so zu vertiefen, dass es seit über zehn Jahren zu jährlich wechselnden Besuchen kommt. Diese direkten Begegnungen haben sich als der prägendste Teil der Partnerschaft herausgestellt, da so unmittelbare Einblicke in die jeweils anderen Lebensweisen und -bedingungen gewonnen und persönliche Kontakte hergestellt werden können.
Bei Besuchen besteht die fünfzehnköpfige Schülergruppe aus Schülerinnen und Schülern der Jahrgänge 11 und 12, die von 3 Lehrkräften begleitet werden. Die Fahrt besteht grob aus drei Teilen: Einem Besuch der Partnerschule mit gemeinsamen Aktionen vor Ort, Einblicken in Projekte und Unternehmungen, die die aktuelle Wirtschaft und Gesellschaft Ruandas prägen und zwei touristischen Tagen, etwa in einem Nationalpark oder am Kivu-See.
An den Tagen am Lycée de Rusatira gibt es neben dem Besuch des Unterrichts, Sportwettstreiten und gemeinsamen Workshops zu jeweils unterschiedlichen Projektthemen wie Musik oder Debatten auch einen gemeinsamen Aktionstag, der von den ruandischen Gastgebern vorbereitet wird.
Da unsere Partnerschule eine Internatsschule ist, verbringen die Schüler auch ihre Wochenenden dort, fern von zu Hause. Die Zeit wird außer Lernen und z.B. musikalischen oder sportlichen Freizeitaktivitäten mit sozialem Engagement verbracht. So nahmen wir beispielsweise einmal an einer Aktion des Never-again-Clubs (einer Art AG Soziales Engagement) teil, bei der einer bedürftigen Frau aus der Umgebung ein Haus gebaut wurde. Die Baumethode ermöglicht es, mit Wasser und Erde der Umgebung das Gebäude quasi ohne Geldmittel zu errichten.
Auf der Fahrt durch das Land gibt es in den folgenden Tagen weitere Einblicke in verschiedene Bereiche, die für Ruanda im Moment prägend sind, z.B.:
· In Kigeme besuchten wir eine von der UN unterstützte Schule, die an ein Lager mit kongolesischen Flüchtlingen angrenzt. Damit die etwa 70 Lehrerinnen und Lehrer die circa 7000 Schülerinnen und Schüler unterrichten können, gibt es eine Art Schichtsystem in großen Klassen. Den französischsprachigen Kongolosen wird Englisch- und Kinyarwanda-Unterricht erteilt, damit sie den ruandischen Schulabschluss erlangen können. Der kongolesisch stämmige Student Javan Mugenzi erklärte uns ein Zeitungsprojekt, mit dem sie die Bevölkerung über die Situation der Flüchtlinge informieren und dadurch zu gegenseitiger Verständigung beitragen möchten. (Beispiele des Nyiramubande-Magazine sind online verfügbar)
· Mit Start-Ups von jungen Unternehmerinnen und Unternehmern versucht Ruanda das Problem der Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Wir besuchten Uzuri k&y, eine von zwei jungen Frauen aufgebaute Firma, die mit lokalen Arbeiterinnen und Arbeitern Schuhe aus z.T. recycelten Materialien herstellt und diese dann in Ruanda, aber auch weltweit vertreibt. Bestellungen sind möglich unter: https://shop.uzuriky.com/
· Obwohl Ruanda seit Jahren ein rigoroses Plastiktütenverbot hat und damit weltweit Vorreiter war, fallen durch Verpackungsmüll von Importwaren große Mengen an Plastikmüll an. Die Plastik-Recyclingfirma agroplast, durch die wir eine spontane Führung bekamen, verarbeitet diesen zu Abdeckplanen für die Teeplantagen Ruandas.
· Ein Highlight war sicherlich, dass wir eine Mine, in der mit Coltan ein Mineral abgebaut und gewonnen wird, das über den globalen Handel bei fast allen von uns in elektronischen Geräten landet, besuchen konnten. Dazu mussten wir, begleitet von einem Vertreter des ruandischen Bergbauministeriums weit aufs Land fahren, wo unsere Anwesenheit noch größere Aufmerksamkeit erregte als eh schon. In der relativ kleinen Mine in Besitz des ruandischen Unternehmens Speck Minerals wird das Coltan in einem mühsamen Prozess gewonnen, der kongolesische Bergbauingenieur begleitete uns bis zu 30 Meter unter die Erde, wo gerade die Arbeiter in extra für uns beleuchteten Stollen mit Presslufthämmern am Werk waren. Von der Mine werden die relativ kleinen, aber wertvollen Mengen nach Kigali gebracht, um nach einer Zertifizierung auf dem Weltmarkt über einen tansanischen Hafen verkauft zu werden.
· Weiterhin konnten wir ein Projekt besuchen, das über die Herstellung und den Vertrieb von speziellen Öfen, den Holzverbrauch massiv senkt und somit zur CO2-Reduktion beiträgt
· Im ruandischen Parlement trafen wir uns mit Jugendvertretern, um über die unterschiedlichen Bilder von Jugendlichen in der Politik und die verschiedenen politischen Systeme zu diskutieren.
Die riesigen Unterschiede zwischen der sich rasant entwickelnden Hauptstadt Kigali und dem weiterhin sehr landwirtschaftlich geprägten Rest des Landes blieben uns immer genauso in Erinnerung wie das Gefühl, als Weiße ununterbrochen als besondere Erscheinung wahrgenommen und dabei überwiegend herzlich begrüßt und aufgenommen zu werden.
Die Ruanda-Partnerschaft 2025: Wie geht’s weiter?
Anfang April 2026 sollen uns zum fünften Mal sechs Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrer aus Rusatira besuchen. Da üblicherweise Ruander nicht ins Ausland reisen, besitzen sie keinen Reisepass, dessen Anschaffung relativ teuer ist, selbst für die Lehrer. Üblicherweise wenden ruandische Eltern einen großen Teil ihres Lohns dafür auf, dass ihre Kinder eine gute Schule besuchen können.
Durch einen diplomatischen Konflikt zwischen Ruanda und Belgien wegen der Rolle Ruandas im Ost-Kongo-Konflikt ist es im Moment (Herbst 2025) leider nicht in möglich, in Kigali ein Schengen-Visum zu bekommen, sodass sich der geplante Besuch vermutlich etwas verschieben wird.
Der schulische Austausch ist im Moment davon geprägt, dass sich einzelne Kurse oder Klassen zu Debatten treffen. Ein Thema wird im Austausch abgesprochen, die beiden Parteien bereiten sich vor und debattieren dann in einem Videocall: Das hat sich bewährt und soll fortgesetzt werden.
Darüber hinaus versuchen wir, Verbesserungen des Schulalltages in Rusatira mitzufinanzieren. In den letzten Jahren ist es so gelungen, die Schule ans Internet anzuschließen und ein neues Schulgebäude mit zwei größeren Klassenräumen zu errichten und ein Sportfeld und eine Schulküche sowie einen Essensraum zu erneuern.
Die Schüler und Lehrer aus Rusatira haben bei unseren letzten beiden Treffen vor allem die veralteten Schlafräume angesprochen, die bedrängt, muffig und laut sind. Für dieses konkrete Projekt werden die Einnahmen des Aktionstags Ruanda 2025 verwendet und noch einige Einnahmen aus dem Aktionstag 2026. Weitere Aktionen und Gelder wollen wir verwenden, um mehr Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen an den Begegnungen hier in Mainz am FLG teilzunehmen.